Rundgang
Das Dorfmuseum wurde vom Heimat- und Geschichtsverein Gütenbach im Jahre 1988 eröffnet und darf sich glücklich schätzen, vorwiegend Exponate aus dem Ort Gütenbach zeigen zu können. Gütenbach war im gesamten neunzehnten Jahrhundert der Mittelpunkt der Schwarzwälder Uhrenherstellung, vorwiegend in der heimischen Werkstatt. Nahezu einhundert Uhrmacher waren immer tätig, produzierten und verschickten ihre Uhren in die ganze Welt. Obwohl sich die Uhr wie ein roter Faden durch die Räume des Museums zieht, sollte das Museum nicht als reines Uhrenmuseum gesehen werden. Doch beginnen wir nun mit dem Rundgang.
Auf der linken Seite sehen Sie das Schreibpult des damaligen Vogtes Franz Furtwängler, der dieses Haus 1829 als Schulhaus mit einem Ratszimmer erbaut hat. Darüber links das Bild des Erbauers der hiesigen Uhrenfabriken, Friedrich Faller, daneben Josef Stratz aus Simonswald, welcher die Gütenbacher Gemeinde, im besonderen die Uhrmacher, im Jahre 1902 mit Strom versorgt hat. Beide Männer haben wegen ihres Einsatzes für die Gütenbacher Uhrmacherei einen Ehrenplatz im Dorfmuseum erhalten.
Die Namen "Furtwängler" und "Faller" waren in Gütenbach von großer Bedeutung. Sechs Generationen des bekannten Dirigenten "Wilhelm Furtwängler" waren in Gütenbach beheimatet, so auch seine Großeltern mit Tanten und Onkeln. Alle Furtwängler zog es durch ihre Berufe bedingt, wie Archäologe, Universitätsprofessor oder Orgelbauer, in die Fremde. Der Name "Faller", vertreten durch Leo Faller und seinen Sohn Friedrich, steht für das Unternehmertum im Ort. Vater und Sohn bauten insgesamt vier Uhrenfabriken.
Eine farbige Tafel rechts neben dem Schreibpult stellt den Uhrenglockengießer "Wilhelm Fackler" dar. Fackler hatte über den ganzen Schwarzwald den Ruf des besten Uhrenglockengießers. Bei nahezu zwei Drittel der Schwarzwälder Uhren wurde das Schlagsignal mit einer bronzenen Glocke ausgelegt. Links vom Schreibpult sind mehrere Fotos von früheren Gütenbacher Bürgermeistern. Darunter mit der Amtskette Hermann Wehrle, welcher 27 Jahre im Dienste der Gemeinde war. An der gegenüberliegenden Wand ist eine von Hand bemalte Ehrenurkunde für seine Amtszeit mit Abbildung von Gütenbach. Wehrle hatte die schwere Aufgabe, in Gütenbach ein Wasserleitungssystem zu bauen.
An der gegenüberliegenden Wand befinden sich zwei Kohlezeichnungen des Gütenbacher Künstlers "Hermann Künzler", darunter eine Büste ebenfalls aus seiner Hand. Auf mehreren Bildträger sind alte Geldnoten zu sehen. Die Rentenmark von 1909-1937, die Reichsmark von 1937-1948, Banknoten aus der Inflationszeit 1922-1923 und eine Tafel mit Briefwertzeichen aus der Zeit von 1922-1923. Darüber einige interessante Rechnungen aus dieser Zeit, z.B. über einen Nachtschrank mit Spiegelaufsatz für 47.000 Mark. Interessant ist ein Geldschein für über fünf Milliarden Mark, gedruckt in der Nachbarstadt Furtwangen.
Die Bilderwand zeigt, von links gesehen, die etwaige Entwicklung des Dorfes. Gütenbach wurde 1360 zum ersten Male in den Geschichtsbüchern erwähnt. Zu diesem Bildmaterial gehört auch die Uhr mit dem Ort in der Mitte (um 1860).
In einem Nebenraum steht das Turmuhrwerk der ehemaligen "Badischen Uhrenfabrik". Daneben ein Bild des Erbauers der ersten Gütenbacher Uhrenfabrik, Leo Faller, im Jahre 1885.
Gegenüber ist die große Turmuhr der alten katholischen Kirche in Gütenbach. Die Uhr wurde von dem Gütenbacher Uhrmacher Philipp Furtwängler im Jahre 1865 erstellt und zum Selbstkostenpreis an seine Heimatpfarrgemeinde geliefert. Philipp Furtwängler zog von Gütenbach nach Elze bei Hannover, baute dort Kirchturmuhren, wurde aber besser bekannt als Orgelbauer, vor allem im norddeutschen Raum.
Furtwängler baute ebenfalls für die katholische Kirche eine Orgel, welche er gleich der Turmuhr, zum Selbstkostenpreis lieferte. Die Orgel steht heute in Lichtental bei Baden-Baden. Die schöne alte Barockkirche fiel 1963 dem Modernisierungstrend zum Opfer. Die Barockaltäre dieser Kirche sind in der katholischen Kirche in Schallstatt im Markgräflerland zu besichtigen.
Ein interessantes Exponat ist das Pneumatische Klavier oder Pianum. Es wurde auch "Treter" genannt. Mit den unten liegenden Pedalen erzeugt man Saugluft. Die mit Schlitzen versehenen Papierrollen laufen über eine Lochleiste. Die jeweiligen Löcher oder Schlitze öffnen beim überlaufen der Leiste ein Ventil und geben den entsprechenden Ton frei. Jeder war sein eigener Musiker.
Im nächsten Raum wird das Leben, Wohnen und Arbeiten der Gütenbacher Uhrmacher realistisch dargestellt. Hier befindet sich die originale Einrichtung einer "Schlafstube", einer "Rauchküche" und einer Uhrmacherwerkstatt, die zugleich auch als Wohnstube diente. In diesen Verhältnissen lebten die Hersteller von Uhren in Gütenbach, wie auch im gesamten "Uhrengebiet" im Schwarzwald.
Über ein Jahrhundert lang arbeitete der Uhrmacher in seinem Haus - in seiner Stube oder Kammer. Er konnte sich keine extra Werkstatt leisten. Die Wohnungen waren sehr niedrig, die Menschen auch wesentlich kleiner als heute. Die Küche gab nur her, was im eigenen Garten gepflanzt oder im Stall groß gezogen wurde. Milch und Kartoffeln spielten dabei die Hauptrolle.
Schon das "Eineinhalb- Bett" spiegelt die Größe der Personen wieder. Elektrisches Licht war völlig unbekannt, und von Heizung war schon gar nicht die Rede. Die Beleuchtung bestand aus der "Erdölfunzel", wie die Deckenleuchte im Volksmund genannt wurde. Einfache Kleidung aus selbstgewobenen Leinen, siehe links, war das Markenzeichen der ebenso einfachen Menschen.
Die Küchen glichen sich eine wie die andere. Der Rauch zog über ein Gewölm durch das ganze Haus ab. Im Gewölm hing das Geräucherte. Neben dem Geräucherten, hingen einige Holzscheiben. Diese Holzscheiben waren Rohlinge für hölzerne Uhrenräder. Nachdem diese zwei Tage in der Gülle gelegen haben, hat man sie zwei Jahre in den Rauch gehängt, damit sie zäh und hart wurden.
Hier wohnten und arbeiteten die Uhrmacher. Nahezu alle Maschinen wurde per Fuß angetrieben. Über der Werkbank am Fenster sehen wir eine "Transmission". Dank der frühen Elektrifizierung des Ortes 1902, konnten schon einigeUhrmacher ihre Maschinen mit einem Motor antreiben. Diese Transmission ging über die ganze Länge der Werkbank, oft bis 6 m. Damit konnte man mehrere Drehbänke oder andere Geräte antreiben. Über der Ofenbank am gemütlichen Kachelofen hängen geflochtene Strohstreifen. Strohflechten war eine weitere Tätigkeit im Schwarzwald, vor allem im Winter. Dafür benötigte man Stroh von Korn (Roggen).
Mit dem "Dreschflegel" wurden die Ähren ausgedroschen um den Halm zu erhalten. Nach dem Flechten wurden die Bänder durch die "Strohwalze" gedreht (siehe links an der Gattertüre). Die gewalzten"Strohbendel" lieferte man so an Fabriken ab, die davon Hüte, Taschen und Sonstiges herstellten. Auf der linken Seite in der Uhrenstube befindet sich eine typische "Schwarzwälder Uhrenkrätze". Mit dieser ging der Uhrenhändler durch die Lande, um den Menschen Uhren zu verkaufen. Von Gütenbach liefen sie bis in die Schweiz und nach Frankreich. Später schickte man die Uhren per Fuhrwerk oder mit dem Zug in die fremden Länder. Dort aber ging es wieder mit der Uhrenkrätze oder per Handwagen weiter zu den Kunden.
Wir verlassen nun die Uhrenstube. Am Ende des Ganges steht ein sogenannter Zahnstuhl. Auf diesem wurden die Räderrohlinge für die Zahnräder gefräst. Diese Erfindung, an der auch ein Gütenbacher beteiligt war, brachte dem Uhrmacher eine derart große Erleichterung, daß er anstatt in der Woche eine Uhr deren sechs herstellen konnte. Nicht jeder konnte sich aber solch ein Gerät kaufen, so daß ein Besitzer nun auch für andere Uhrmacher sich als Zulieferant betätigen konnte. Gehen wir nun den Gang zurück und sehen links einige original alte Uhrwerke. Ein Feld mit Bildern zeigt eine Übersicht über die ehemaligen Gütenbacher Uhrenfabriken, die alle nach 1885 gegründet wurden, und ihre Erbauer. Alle Unternehmen gingen um 1930 infolge der Arbeitslosigkeit zugrunde. In den achtziger Jahren hatten diese schönen mechanischen Werke wegen des zu hohen Zeitaufwandes keine Zukunft mehr. Heute gibt es in der Gütenbacher Uhrenherstellung nur noch die Firma Hanhart.
Schon um 1760 erstellte man die erste Kuckucksuhr mit Rädern aus Holz. Der Blasebalg und die Flöten einer Kirchenorgel sollen zur Entstehung solcher Uhren die Grundidee geliefert haben. Nahezu über einhundert Jahre hatte die Kuckucksuhr keine große Bedeutung, ihr heutiger Stellenwert hat sich langsam entwickelt. Sie hatte noch ein einfaches Aussehen, wie eine Uhr mit einem einfachen Holzschild, welches mit einem Papierzifferblatt beklebt war, zeigt. Um die Jahrhundertwende1800 kam die große Zeit der Lackschilduhren. In dieser Zeit fertigte man Kuckucksuhren mit Lackschildern an. Erst um 1860 kam der Durchbruch zu der Kuckucksuhr wie sie heute die ganze Welt kennt. Ein Aufruf an die Künstler des Landes führte dazu, daß ein gewisser Professor "Eisenlohr" in Karlsruhe den Plan einer Kuckucksuhr herausbrachte, die Ähnlichkeit mit einem Häuschen hatte. Eisenlohr war als Architekt bei der Bahn angestellt und so gab man dieser ersten "Häusleuhr" den Namen "Bahnhäusleuhr".Diese noch schlichte Form, mit fein ausgesägten, und wenig geschnitzten Ornamenten an den Seiten und auf dem Dach des Gehäuses blieb bis heute die Basis für das immer stärker und größer werdende Schnitzwerk. Ein offenes Demonstrations- Kuckucks- Wachtelwerk zeigt das Innenleben einer Kuckuck-Wachteluhr. Alle geschnitzten Uhren sind kleine Kunstwerke in der korrekten Ausführung der Tiere oder dem Beiwerk. Die "Schnitzer", wie die korrekte Berufsbezeichnung lautete, hatten in der näheren Umgebung über nahezu siebzig Jahre eine nie gekannte Hochkonjunktur. Als Material verwendete man "Nußbaumholz", welches noch nachgebeizt wurde. In Gütenbach waren Kuckucksuhren nur ein Nebenzweig der Uhrenherstellung. Man kennt etwa acht bis zehn Uhrmacher dieser Kategorie.
Ebenfalls zu Beginn der dreißiger Jahre gründete Adolf Hanhart eine Uhrenfabrik für Klein- und vorwiegend Stoppuhren. Während des Zweiten Weltkrieges stellte Hanhart den legendären Armband-Chronometer für Flugzeugführer her. Nach den mechanischen Uhren ging man zur Herstellung von elektrischen Weckern und auch Stoppuhren über. Heute ist das Hauptprodukt wieder die "mechanische Stoppuhr". Seit 1998 stellt Hanhart ein Replikat des oben genannten "Fliegerchronographen" her.
Im Jahr 1946 lag die gesamte Gütenbacher Industrie am Boden. Zwei Fabriken wurden bis auf die letzte Maschine demontiert. Nun waren es diesmal zwei Herren "Faller", welche aus der Not eine Tugend machten und die Idee mit der Herstellung von Spielwaren hatten. Die Ausstellungswand zeigt vorwiegend Exponate aus den Anfängen der Firma. Wir hoffen daß sich so mancher Besucher an die Zeit der ersten "Fallerhäusle" erinnern kann. Heute hat die Firma einen Weltruf.
Das Prunkstück unseres Museums ist die in unserem ehemaligen "Uhrendorf" hergestellte Flötenspieluhr. Sieben bekannte Spieluhrenbauer gab es in Gütenbach, darunter "Aron Siedle", der Sohn eines der besten Spieluhrenhersteller im Schwarzwald. Wenn Sie das Dorfmuseum besuchen, können Sie sich von unseren Museumsangestellten die Spieluhr gerne vorführen lassen.
In verschiedenen Nischen lebt noch der Hauch der Vergangenheit, vertreten durch eine Schusterwerkstatt, eine Schreinereiwerkstatt und eine "gute Stube". Wertvolle Exponate alter Radiogeräte und historischer Musikinstrumente, können Sie in unserem Dorfmuseum besichtigen.